Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Weihen-Brutsaison 2022

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Der Brutbestand der Wiesenweihe in den Hellwegbörden verminderte sich von 29 Paaren im Vorjahr auf 22 im Jahr 2022; ein weiterer Brutplatz befand sich auf der Paderborner Hochfläche. In den 1990er Jahren brüteten noch 34 bis 44 Paare im gesamten Bearbeitungsgebiet. Von den insgesamt 23 Erst-Brutplätzen (es gab keine Ersatzbrut) lag nur das Nest bei Dörenhagen nicht innerhalb der Abgrenzung des EU-Vogelschutzgebietes (VSG) Hellwegbörde. Das Bestandsniveau der zwischen Unna und Paderborn in landwirtschaftlichen Kulturen brütenden Rohrweihen blieb niedrig: 12 bis 13 Bruten gegenüber 14 Bruten im Vorjahr, darunter 10 innerhalb des VSG Hellwegbörde. Westlich der L 670 Soest-Berwicke stellten wir im Kreis Soest bzw. im östlichen Kreis Unna nur zwei Brutpaare fest, die erstmals extra für diese Weihenart geschaffene Biotope besiedelten: bei Unna-Steinen und am neuen Regen-Rückhaltebecken östlich von Werl.

Das Brutverbreitungsbild der Wiesenweihe ähnelte dem des Vorjahres: das größte Dichtezentrum war erneut mit 12 Brutpaaren (gegenüber 15 im Vorjahr) der Großraum Langeneicke-Geseke-Salzkotten; zwischen Soest und Erwitte waren es 6 Brutpaare (gegenüber 8 im Vorjahr) und auf dem Haarstrang brüteten mit 5 wie schon im Vorjahr ungewöhnlich viele. Die Ausdünnung des Brutbestandes westlich von Soest setzte sich fort, denn es gab nur einen Brutnachweis bei Sieveringen. Wie schon im Vorjahr siedelten die Wiesenweihen vorwiegend einzeln oder zu zweit (Nestabstände < 600 m); die niedrigsten Abstände zweier Nester betrugen 85 m (nördlich Geseke), 140 m (südlich Langeneicke) und 300 m (östlich Weslarn). Im Frühjahr bis Anfang Sommer waren an weiteren Stellen adulte Wiesenweihen zum Teil über mehrere Wochen zu beobachten ohne zu brüten: je ein Paar bei Vierhausen bzw. Oberbergheim und einzelne Männchen im Raum Borgeln-Wiltrop bzw. bei Schachtrup.

Aus NRW wurde uns nur ein weiterer Brutplatz der Wiesenweihe für das Jahr 2022 gemeldet: eine erfolglose Brut bei Mülheim im Kreis Euskirchen (A. Hirschfeld). An den Vorjahresbrutplätzen in den Kreisen Rhein-Neuss (E.-H. Walther), Kleve (M. Hertel), Minden-Lübbecke (L. Meckling) und Höxter (P. Maciej) gab es im Frühjahr zwar jeweils einzelne Beobachtungen von Wiesenweihen, die aber offensichtlich nicht zur Brut schritten. Der Landesbestand der Wiesenweihe im Jahr 2022 betrug 24 Brutpaare gegenüber 34 im Vorjahr. Außerhalb der Hellwegregion war es die niedrigste Brutpaarzahl seit 2003.

Bei der Rohrweihe ist nach vorläufigem Auswertungsstand wie in den Vorjahren von nur noch knapp 30 Brutpaaren innerhalb des VSG Hellwegbörde auszugehen. Das größte Dichtezentrum mit 6 Brutpaaren befand sich wie in den Vorjahren im NSG Stockheimer Bruch (E. Hennecke); im Umfeld gab es 4 weitere Brutnachweise. In den Räumen Thöningsen-Schöneberg-Weslarn bzw. Ebbinghausen-Stirpe ermittelten wir jeweils 4 Brutpaare. Südlich Langeneicke siedelten sich anfangs ebenfalls 4 Paare an und bauten Nester, aber nur zwei zeitigten ein Gelege. In einigen weiteren Feldfluren waren adulte Rohrweihen zu beobachten, die wohl nicht zur Brut schritten. Die gewöhnlich ab der zweiten Maihäfte vermehrt auf dem Haarstrang auftretenden, noch nicht brütenden ein- und zweijährigen Rohrweihen, die hier mausernd übersommern, waren wie in den Vorjahren in deutlich verminderter Zahl zu beobachten (nach monatlicher Zählung in zwei Probeflächen seit 2006). Ähnliches gilt für eine dritte Zählfläche bei Marsberg-Meerhof auf der Paderborner Hochfläche.

Drei Weihen-Brutplätze waren im Jahr 2022 weniger als 320 m vom Mast der nächsten Windenergieanlage (WEA) entfernt. Im Bereich der beiden WEA Lippetal Unterberg II brüteten erneut Rohrweihen, ein Nest war ca. 260 m und ein zweites ca. 740 m von der nächsten WEA entfernt. Diese Nestdaten wurden umgehend der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) Soest gemeldet. Der Kreis Soest setzte in Folge wieder auf eine freiwillige Abschaltung durch die Betreiberfirma ProWind, die sich auf niedrige Windgeschwindigkeiten in den Hauptaktivitätszeiten beschränkte. Bei Nordwald brütete ein Paar Rohrweihen ca. 300 m von der nächsten WEA entfernt, und bei Sieveringen brütete ein Paar Wiesenweihen ca. 310 m entfernt: Beide Vorfälle meldeten wir ebenfalls der UNB, aber Abschaltungen hatte dies unserer Beobachtung nach nicht zur Folge. Das intakte Gelege des Weihenpaares bei Sieveringen wurde aus unbekannten Gründen verlassen.

Steppenweihen wurden in der Brutzeit im Bearbeitungsgebiet nicht beobachtet, nur einmal in der Rückzugphase im April und einige Male in der Wegzugphase (Daten aus ornitho.de). In den Monaten Mai und Juni sahen wir je eine Kornweihe im Mai: ein Männchen bei Schachtrup, und eine Weibchenfarbige bei Altengeseke; auf ornitho.de und abu-naturschutz.de wurden weitere 4 Beobachtungen (3 Männchen, 1 Weibchenfarbige) gemeldet: im NSG Ahsewiesen, bei Westönnen, bei Anröchte bzw. Herzfeld. Sumpfohreulen wurden in der Brutzeit in der Hellwegregion nicht beobachtet bzw. gemeldet (ornitho.de).

Eigene standardisierte Mäuseloch-Erfassungen auf über 150 Stoppelfeldern im Juli und August erbrachten im Schnitt am Hellweg, auf dem Haarstrang und auf der Paderborner Hochfläche sehr niedrige Dichten. Große, offene Jagdflächen entstanden in der Brutzeit erstmals durch die Mahd von Feldgras- und Grünroggenflächen von Ende April bis Mitte Mai. Die Getreideernte setzte früh ein und schritt sehr schnell voran, so dass in den Tieflagen schon am 6. Juli über 90% der Gersten-Schläge abgeerntet waren und so viele günstige Jagdhabitate boten.

Der geringe Mäusebestand und die relativ späte Ankunft der beiden Weihenarten dürften wesentliche Ursachen für den relativ späten Legebeginn und unterdurchschnittliche Gelegegrößen von Wiesenweihen (3 bis 5) und Rohrweihen (2 bis 6) gewesen sein. Bis auf das vorjährige, farbberingte Weibchen bei Dörenhagen (es wuchs 2021 nördlich von Geseke auf) trugen alle Brutvögel der Wiesenweihen ein adultes Federkleid.

Wiesenweihen brüteten ausnahmslos im Wintergetreide: in Gerste 16 und im Weizen 7 Nester. Mit insgesamt 53 flüggen Wiesenweihen bzw. 2,3 Jungvögeln pro Brutpaar wurde eine überdurchschnittliche Fortpflanzungsziffer in Mittel-/Ostwestfalen erzielt. Sieben Erstbruten scheiterten allesamt in der Eiphase, überwiegend durch Säugetier-Prädation. Vor der regulären Ernte flog kein einziger Jungvogel aus, alle benötigten also eine 50 x 50 m große Ernte-Schutzzone. Um alle Nistplätze der Wiesenweihe wurden mindestens drei Wochen vor dem Ausflugsdatum der Jungen zudem Metall-Schutzzäune (1,7 m x 1,7 m) aufgestellt. Fast alle Jungvögel der Wiesenweihe wurden beringt: mit einem metallenen Vogelwartering und zusätzlich am anderen Bein mit einem weißen Farbring mit zwei Ziffern, die unter geeigneten Bedingungen mit einem Spektiv ablesbar sind.

Die 12 in landwirtschaftlichen Kulturen entdeckten Nester der Rohrweihe verteilten sich auf: Wintergerste 7, Triticale 2, Bio-Roggen 1, Raps 1 und Feldgras 1 (1 weiteres Nest ist wahrscheinlich). Der Bruterfolg der Rohrweihe in den 12 Ackerbruten (insgesamt 29 Flügge) war mit 2,4 pro Brutpaar deutlich höher als in den Vorjahren. Vier Gelege wurden wahrscheinlich durch Säugetiere prädiert ähnlich wie bei der Wiesenweihe. Alle 29 Jungvögel konnten nur dank einer Ernteschutzzone ausfliegen. Bis auf eine Ausnahme handelte es um 50 m x 50 m große Aussparungen bei der Ernte. In einem Fall stellten wir um eine rund 0,1 ha große Feldgrasfläche mit einem Nest einen Elektro-Schafzaun auf. In einem zweiten Fall stellten wir um die 50 m x 50 m große Schutzfläche in einem Roggenfeld mit umgekipptem Getreide am Tag nach der Ernte einen Elektro-Schafzaun auf. In beiden Fällen flogen jeweils alle 4 jungen Rohrweihen aus.

Alle Landwirte bzw. Bewirtschafter von Feldern mit noch nicht flugfähigen Jungvögeln zum Erntestart beteiligten sich bereitwillig am Schutzprogramm. Sie erhielten den Ertragsausfall für die eingerichteten Schutzzonen aus Landesmitteln erstattet. Aufgrund der stark gestiegenen Getreidepreise erhielten die Bewirtschafter erheblich erhöhte Entschädigungen. Insgesamt ergab sich eine hohe Zahl von 23 Schutz-Vereinbarungen mit 19 Bewirtschaftern. Die 23 Schutzzonen verteilen sich auf: Gerste 17, Weizen 5, Bio-Roggen 1, Titicale 1 und Feldgras 1. Es wurden im Jahr 2022 keine neuen Weihennester bei der Ernte gefunden und gemeldet, die uns vorher verborgen geblieben waren.

Auch in dieser Brutsaison gelangen zahlreiche Ablesungen von markierten Wiesenweihen. Ein erfolgreich brütendes Weibchen trug einen Ring aus Tschechien. Das Weibchen mit einer Flügelmarke aus Franken, das fünfmal in Folge bei Salzkotten erfolgreich gebrütet hatte, war in diesem Jahr erstmals nicht mehr zu beobachten. Häufig haben wir weiße Farbringe an Altvögeln ablesen können, die seit 2006 den meisten, in den letzten Jahren fast allen nestjungen Wiesenweihen in der Hellwegregion angelegt worden waren. 

Schlafplatz-Gemeinschaften von Weihen fanden wir wie in den Vorjahren von Juli bis August vor allem entlang der B1 und auf der Nordabdachung des Haarstranges, meist in Feldfluren, die überwiegend schon in den Vorjahren zum Schlafen genutzt worden waren. Die Belegungszahlen waren wie in den vier Vorjahren meist niedrig bis mäßig hoch (selten mehr als zehn Wiesen- und Rohrweihen an einem Abend einfliegend). Schlafplätze befanden sich vor allem in noch nicht abgeerntetem Winterweizen, in grasbetonten Brachen und Zuckerrüben-Feldern. Die größte Übernachtungs-Gesellschaft befand sich bei Geseke.

Während der Weihenerfassungen im Jahr 2022 stellten wir an mehreren Stellen Grauammern mit Revierverhalten fest, vor allem nördlich von Westereiden/ Oestereiden. Intensive Brutzeiterfassungen durch P. Hundorf und R. Joest erbrachten im VSG Hellwegbörde insgesamt wie im Vorjahr knapp 30 Reviere- offenbar ein Erfolg des gesteigerten Angebotes von Brachen und anderen extensivierten Flächen in diesen Feldfluren. Rohrammern verhörten wir wie schon in den Vorjahren bis auf eine Ausnahme nicht mehr im Agrarland; Ähnliches gilt für Turteltauben. Rufende Wachteln waren wie schon im Vorjahr selten bei den Weihen-Erfassungen zu vernehmen.

H. Illner, P. Hundorf, J. Butterweck und O. Zimball