Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Weihen-Brutsaison 2020

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Der Brutbestand der Wiesenweihe in den Hellwegbörden hat sich 2020 auf niedrigem Niveau stabilisiert; er verminderte sich nur leicht auf 22 nach 24 Brutpaaren im Vorjahr. Einige Brutplätze lagen außerhalb der Abgrenzung des EU-Vogelschutzgebietes (VSG) Hellwegbörde, darunter einige wie im Vorjahr westlich von Salzkotten. Nördlich des gewöhnlichen Brutareals hatten den letzten vier Jahren Wiesenweihen bei Schachtrup gebrütet; in diesem Jahr gab es eine frühe Paarbeobachtung ohne dass es zu einer Brutansiedlung kam. Rohrweihen blieben im Bearbeitungsgebiet zwischen Unna und Paderborn auf einem niedrigen Bestandsniveau; insbesondere im westlichen Brutareal von Unna bis Soest gab es neuen Tiefstand.

Das Brutverbreitungsbild der Wiesenweihe ähnelte dem des Vorjahres; nur die abseits gelegenen Brutplätze bei Schachtrup und Bosenholz entfielen im Jahr 2020.
Überwiegend siedelten sich die Wiesenweihen einzeln oder zu zweit (Nestabstände < 600m) am Hellweg östlich von Soest an. Nur einmal gab es bei Geseke eine kleine Kolonie mit drei Brutpaaren, deren Nester 65 m bis 560 m voneinander entfernt waren. Auch alle „Zweier-Kolonien“ lagen östlich von Soest: bei Horn (Nestabstand rund 120 m; mit bigamen Männchen), Völlinghausen (110 m; Ersatzbrutplatz nur 50 m entfernt), Langeneicke (320 m), Geseke (370 m, Ersatbrutplatz nur 80 m entfernt), Salzkotten (525 m) und Hölterberg (560 m).

An einer Stelle gab es eine Verpaarung; es blieb aber ungeklärt, ob es hier zur Eiablage und zu einem frühen Gelegeverlust kam. Von Mitte Mai bis Mitte Juni fand ich an zwei Stellen in der Nähe von Brutpaaren unverpaarte adulte Männchen, die Flugbalz zeigten. Wie schon im Vorjahr gab es einige vorjährige Weibchen, die zur Brut schritten.

Aus NRW sind mir bisher vier weitere Brutplätze der Wiesenweihe bekannt geworden und zwar aus folgenden Kreisen: Minden-Lübbecke (eine erfolglose Brut, L. Meckling) und Warburg (drei erfolgreiche Bruten, darunter eine im Feldgras, die mit Elektrozaun geschützt wurde, P. Maciej). Nach bisherigem Kenntnisstand liegt somit der Landesbestand der Wiesenweihe im Jahr 2020 nur bei 26 Brutpaaren.

Bei der Rohrweihe ist nach vorläufigem Auswertungsstand auch im Jahr 2020 von nur noch knapp 30 Brutpaaren innerhalb des VSG Hellwegbörde auszugehen. Besonders westlich von Soest ist der Bestandsrückgang weiterhin besorgniserregend. Auch in den Dichtezentren des Vorjahres verminderten sich die Brutbestände. Das größte Dichtezentrum mit sechs Brutpaaren (E. Hennecke) befand sich wie in den Vorjahren im NSG Stockheimer Bruch; allerdings gab es keine Brutnachweise im Umfeld wie in den Vorjahren. Zwei kleinere Dichtezentren mit vier bzw. drei Brutpaaren befanden sich in den Räumen Schmerlecke-Ebbinghausen-Stirpe und Lippetasl-Unterberg II-Hessing. Im Raum Schachtrup mit drei Brutpaaren 2019 gab es in diesem Jahr nur ein Brutpaar. An einigen Getreidekulturen hielten sich zeitweise Rohrweihen brutverdächtig auf, ohne dass es zur Brut kam. Die gewöhnlich ab der zweiten Maihäfte vermehrt auf dem Haarstrang auftretenden, noch nicht brütenden ein- und zweijährigen Rohrweihen, die hier mausernd übersommern, sah ich in nochmals verminderter Zahl (nach monatlicher Zählung in zwei Probeflächen seit 2006). Nur auf der Zählfläche Marsberg-Meerhof Paderborner Hochfläche erhöhten sich die Beobachtungszahlen übersommernder Rohrweihen gegenüber 2019.

Im Bereich der beiden Windenergieanlagen (WEA) Lippetal Unterberg II brüteten wieder Rohrweihen; drei Brutplätze waren weniger als 1 km vom Mast einer der beiden WEA entfernt. Aus der nächsten Brut, die nur rund 300 m von der westlichen WEA entfernt war, wurden von ursprünglich drei 8 bis 11 Tage alten Jungvögeln nur einer groß; hier war das Weibchen etwa drei vor dem Ausflugstermin aus unerklärlichen Gründen verschwunden. Das Männchen versorgte den übrig gebliebenen Jungvogel dann allein. Die genannten Greifvogeldaten wurden der Naturschutzbehörde umgehend gemeldet. Der Kreis Soest sah sich allerdings wie im Vorjahr außerstande, eine Tages-Abschaltung für die Brutzeit 2020 zu verfügen. Stattdessen setzte er auf eine freiwillige Abschaltung durch die Betreiberfirma ProWind, die sich auf geringe Windgeschwindigkeiten in den Hauptaktivitätszeiten beschränkte.

Steppenweihe wurden in der Brutzeit im Bearbeitungsgebiet nicht beobachtet, nur vereinzelt in der Abzugphase auf Paderborner Hochfläche bei Fürstenberg und auf dem Haarstrang bei Ruhne. In den Monaten Mai und Juni sah ich nur zweimal eine Kornweihe, jeweils eine adultes Männchen in der Feldflur nördlich von Robringhausen. Sumpfohreulen wurden in der Brutzeit in der Hellwegregion nicht beobachtet, allenfalls im Spätsommer auf Paderborner Hochfläche bei Marsberg-Meerhof (R. Pohlmeyer).

Eigene standardisierte Mäuseloch-Erfassungen auf Stoppelfeldern im Juli und August erbrachten im Schnitt am Hellweg gegenüber 2019 um mehr als 50% reduzierte Ergebnisse. Im Gegensatz dazu baute sich auf der Paderborner Hochfläche bei Lichtenau, Bad Wünnenberg, Fürstenberg und Marsberg-Meerhof eine Feldmausgradation auf; auf einem Gerstenstoppelfeld ermittelte ich mit rund 1100 Löchern auf 800 m² einen neuen Rekord seit 2006.

Die Erreichbarkeit vor allem der Feldmäuse war wohl bis Anfang Juni wegen des dichten und schnellen Wuchses des Wintergetreides und geringer Lagerbildung von Wintergerste und Triticale meist schlecht. Aufgrund Niederschlagsarmut vor allem in der zweiten Junihälfte dünnten die Getreidebestände wie im Vorjahr im Laufe des Sommers insbesondere auf den flachgründigen Kalkscherbenäckern des Haarstranges und der Paderborner Hochfläche merklich aus, wodurch die Erreichbarkeit von Mäusen und anderen Beutetieren spätestens ab Ende Juni relativ gut gewesen sein dürfte. Die Getreideernte setzte in den Tieflagen witterungsbedingt erst verspätet ein, so dass erst am 13. Juli (gegenüber 4. Juli im Jahr 2019) in den Tieflagen mehr als die Hälfte der Gerstenschläge abgeerntet war. Da allerdings die Weihenbruten im Schnitt später begonnen wurden als im Vorjahr, dürfte es gegenüber 2019 dadurch keine wesentlichen Unterschiede in der Beute-Erreichbarkeit im Ackerland gegeben haben.

Der geringe Mäusebestand ist wahrscheinlich die wesentliche Ursache für den relativ späten Legebeginn und durchschnittliche Gelegegrößen (alle in der Spanne von 3 bis 5) von Wiesenweihen und Rohrweihen gewesen. Dagegen überrascht der relativ hohe Bruterfolg bei der Wiesenweihe. Mit insgesamt 56 flüggen Wiesenweihen bzw. 2,55 Jungvögeln pro Brutpaar wurde eine überdurchschnittliche Fortpflanzungsziffer in Mittel-/Ostwestfalen erzielt. Einige Erstbruten scheiterten in der Eiphase (meist durch Säugetier-Prädation), was aber in vier von fünf Fällen erfolgreiche Ersatzbruten zur Folge hatte.

Wiesenweihen brüteten allesamt in Getreidebeständen: in Wintergerste 15 Nester (plus 1 Ersatzbrut), Winterweizen 5 (plus 4 Ersatzbruten) sowie Triticale und Feldgras jeweils 1.
29 von 56 (=52%) Jungvögel flogen vor der regulären Ernte aus, so dass nur für 48% die Einrichtung einer Schutzzone von meist 50 x 50 m nötig wurde. Erstmals wurden um alle Nistplätze mehr als drei Wochen vor dem Ausflugsdatum Draht-Schutzzäune aufgestellt. Nach dem Aufstellen der Schutzzäune gab es nur einen kompletten Brutverlust durch Prädation: wahrscheinlich ein Fuchs war frühmorgens in den Zaun gelangt, als der überreife Gerstenbestand schon auf 50 cm Höhe zusammengesackt war. An einem sehr frühen Brutplatz im Feldgras, das nach dem ersten Schnitt umgebrochen und mit Mais bestellt wurde, war das Mittel der Wahl ein Elektro-Schafzaun, den ich im Quadrat von 20 x 20 m ums Nest aufstellte. Alle Jungvögel der Wiesenweihe wurden beringt und erhielten zusätzlich einen weißen Farbring mit zwei Ziffern, die unter geeigneten Bedingungen mit einem Spektiv ablesbar sind.

Die acht gefundenen Getreidenester der Rohrweihe verteilen sich auf: Wintergerste 3, Triticale 2, Winterweizen 3; je ein Nest war im Winterweizen (Ersatzbrut) bzw. im Feldgras. Der Bruterfolg der Rohrweihe war mit 1,5 pro Brutpaar sehr niedrig, deutlich niedriger als im Vorjahr und deutlich niedriger als bei der Wiesenweihe. Der geringe Bruterfolg resultierte aus geringen Jungenzahlen erfolgreicher Bruten (dreimal nur ein Flügger); Totalverluste infolge von Nestprädation waren gegenüber den Vorjahren deutlich seltener, weil ich um die meisten Nester Draht-Schutzzäune (frühestens nach dem Schlupf der Jungen) aufstellte. Bei zwei erfolgreichen Getreidebruten (mit 2 bzw. 4 Flüggen) flogen die Jungen zusätzlich dank der Einrichtung einer 50 x 50 m großen Schutzzone aus.

Alle Landwirte bzw. Bewirtschafter von Feldern mit noch nicht flugfähigen Jungvögeln zu Erntebeginn beteiligten sich bereitwillig am Schutzprogramm. Sie erhielten den Ertragsausfall für die eingerichteten Schutzzonen einer Größe von meist 50 x 50 m aus Landesmitteln erstattet. Insgesamt ergab sich eine mäßig hohe Zahl von 11 Schutz-Vereinbarungen (mit 10 Bewirtschaftern). Die 11 Schutzzonen verteilen sich auf: Gerste 9, Weizen 1 und Feldgras-Mais 1. Es wurden im Jahr 2020 keine neuen Weihennester bei der Ernte gefunden und gemeldet, die uns vorher noch nicht bekannt waren. In einem Fall vergaß der Bewirtschafter, mir vor der Ernte Bescheid zu geben, um die Schutzzone abzustecken. Der Mähdrescherfahrer sah zum Glück den Schutzzaun und sparte eine kleine Fläche ums Nest aus, so dass die fast flugfähigen Jungen einige Tage später ausflogen.

Auch in dieser Brutsaison gelangen zahlreiche Ablesungen von markierten Wiesenweihen. Ein erfolgreich brütendes Weibchen trug eine Flügelmarke aus Mainfranken und brütete nun schon das vierte Mal in Folge erfolgreich, allerdings in diesem Jahr erst mit der Ersatzbrut, in dieser Feldflur. Bei zwei Brutweibchen waren fremde Farbringe ablesbar; sie wuchsen in den Niederlanden bzw. in Polen auf (T. Schaub, D. Krupinski). Ein vorjähriges Weibchen aus der Hellwegregion brütete im Jahr 2020 erfolgreich in den Niederlanden (T. Schaub). Häufig wurden weiße Farbringe an Altvögeln abgelesen, die seit 2006 den meisten, in den letzten Jahren allen nestjungen Wiesenweihen in der Hellwegregion angelegt wurden.

Schlafplatz-Gemeinschaften von Weihen fand ich wie in den Vorjahren von Juli bis August auf dem Haarstrang und auf der Paderborner Hochfläche, meist in Feldfluren, die überwiegend schon in den Vorjahren zum Schlafen genutzt wurden. Die Belegungszahlen waren wie in den beiden Vorjahren meist relativ niedrig (sehr selten mehr als zehn Wiesen- und Rohrweihen an einem Abend einfliegend) und sanken wie im Vorjahr schon ab Mitte August deutlich ab. Wegen der frühen Ernte des Winterweizens (am 10. August war in Tieflagen 99% und am 23. August in den Hochlagen über 90% abgeerntet) verblieben als geeignete Schlafplätze ab Mitte August meist nur noch ungemähte Ackerbrachen oder Zuckerrüben- oder Kartoffel-Felder. Der größte (mindestens 12 an einem Abend), über mehrere Wochen besetzte Schlafplatz der Wiesenweihe befand sich in einem Zuckerrübenfeld bei Salzkotten. Die größten Übernachtungs-Gemeinschaften von Rohrweihen waren bei Salzkotten und in den hoch gelegenen Feldfluren von Marsberg-Meerhof auszumachen. Offensichtlich wegen des Fehlens zum Übernachten geeigneter niedriger Vegetationsbestände nutzten Rohrweihen im August auch Gehölze zum Übernachten.

Während meiner Weihenerfassungen verhörte ich im Jahr 2020 nur einmal eine singende Grauammer; gezielte Nachsuchen im April durch R. Joest ergaben 8 bis 12 Reviere. Rohrammern verhörte ich wie schon in den Vorjahren nicht mehr im Agrarland. Allerdings entdecke ich vermehrt Brutplätze von Schwarzkehlchen in der offenen Feldflur. Turteltauben stellte ich wie in den Vorjahren nur ausnahmsweise und Wiesenpieper sehr selten singend oder Junge fütternd fest. Rufende Wachteln waren nur mäßig häufig bei den Weihenerfassungen zu vernehmen.

Hubertus Illner