Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Äcker auf Kalkböden - Pflanzengesellschaft des Jahres 2022

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22. Dezember 2021 - Rittersporn und Adonisröschen: Die Floristisch-soziologische Arbeitsgemeinschaft e.V. ruft die stark bedrohte blütenreiche Ackerwildkraut-Vegetation der Kalkäcker zur Pflanzengesellschaft des Jahres 2022 aus. Es geht dabei nicht um nostalgische Erinnerungen, sondern um die Notwendigkeit für Mensch und Umwelt, diese selten gewordene Lebensgemeinschaft in unseren Kulturlandschaften zu erhalten. Charakteristische Arten sind der Feld-Rittersporn und das in NRW vom Aussterben bedrohte Sommer-Adonisröschen.

Auch im Kreis Soest kommen Ackerflächen mit ihrer typischen Begleitflora auf kalkhaltigen Böden vor, allerdings nur in bestimmten Gebieten auf wie dem kreidezeitlichen Haarstrang. „Leider sind zahlreiche Pflanzen unserer Kalkäcker in den vergangenen Jahrzehnten durch intensivierte Nutzung stark zurückgegangen," so Paul Hitzke, "praktisch alle sind mittlerweile vom Aussterben bedroht und auf der Roten Liste der gefährdeten Arten" bedauert der frühere Regionalstellenleiter der landesweiten Florenkartierung.

Einst waren Flächen auf flachgründigen Böden am mittleren Haarstrang durch die visionäre Arbeit von Paul Hitzke in den Fokus des botanischen Artenschutzes gerückt. Wurde doch hier ein Vorläufer des Acker-Randstreifenprogrammes etabliert. Nachdem die Vertragslaufzeiten auf 5 Jahre vergrößert worden waren, sank die Bereitschaft der Landwirte, sich über einen solch langen Zeitraum auf eine Extensivierung breiter Ackerränder festzulegen. So wurde das Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis) zuletzt in den 80er Jahren zwischen Autobahn und Flugplatz Bad Sassendorf/Soest nachgewiesen.

Derzeit läuft an der Biologische Station Soest ein sogenanntes Flora-Projekt, welches mit Mitteln der DBU, des Landes NW und der NRW-Stiftung sowie durch den Kreis Soest unterstützt wird. Im Zuge dieses Artenschutzprojektes konnte im Lohner Klei ein ehemals besonders artenreicher Acker vor zwei Jahren in einen Schutzacker umgewandelt. Aus einer mehrjährigen Brachfläche entstand ein ungespritztes Getreidefeld. Die Ertragsausfälle bei dieser spritzmittel- und düngerfreien Bewirtschaftung werden dem Landwirt erstattet. Hans-Dieter Blume selbst hatte zu Beginn des Flora-Projektes diese Maßnahme vorgeschlagen. Ein tiefes Pflügen soll auch einen noch vorhandenen Samenvorrat im Boden an die Oberfläche befördern. Von zahlreichen Acker-Wildkräutern ist bekannt, dass ihre Samen über einen langen Zeitraum keimfähig bleiben. Der Acker-Steinsame und die Erdkastanie sind kennzeichnend für die Haftdoldengesellschaft. Auch sollen Samen aus der unmittelbaren Umgebung von weiteren Arten gesammelt und auf dem kleinen Kalkscherbenacker aufgebracht werden. "Dazu ist es aber nötig, dass im Rahmen von Vertragsnaturschutz oder anderen biodiversitätsfördernden Maßnahmen eine andauernde Extensivierung der Nutzung erreicht wird, " so Luise Hauswirth und Marc Sommereisen von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz weiter.

Die Kalkäcker als Pflanzengesellschaft des Jahres zu benennen, ist gleichzeitig eine Auszeichnung und Wertschätzung der bäuerlichen Arbeit über viele Generationen. Die Kalkacker-Vegetation am Haarstrang ist mit der traditionellen Landwirtschaft entstanden und hat sich über Jahrhunderte zu einem Hotspot seltener Arten entwickelt. Mit der Intensivierung der letzten Jahrzehnte schwand jedoch die Pflanzenvielfalt der Äcker immer mehr.

Als eine Grundlage der Nahrungsressourcen für viele Tiere der Agrarlandschaft ist die Ackerwildkraut-Vegetation ein Indikator für den Zustand der Umwelt auf dem Lande – und dabei geht es nicht nur um den Florenschwund, sondern auch um das Insektensterben und den alarmierenden Rückgang der Feldvögel.

Mit der großen Anzahl an seltenen, gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Arten gehören die blütenreichen Getreideäcker auf Kalkböden damit zu den stark gefährdeten Biotoptypen in Deutschland! Als treue Begleiter der Menschen, wegen ihrer Bedeutung für eine vielfältige Kulturlandschaft und auch, weil sie unseren Sinn für die Schönheit der Natur ansprechen, verdienen sie unsere Wertschätzung. Agroökosysteme sind durch die nahezu flächendeckende Anwendung von synthetischen Mineraldüngern und Herbiziden, durch dichtere Saat, vorgezogene Erntetermine und das Umpflügen der Felder gleich nach der Getreideernte stark gefährdet. Doch ist es auch gelungen, wenigstens einige Felder als Kleinstrefugien für Ackerwildkrautarten zu erhalten, z. B. durch die Anlage von Ackerrandstreifen und Schutzäckern.

Trotzdem kann die Erhaltung solcher Reliktvorkommen nur ein erster Schritt sein. Um die Situation der stark gefährdeten Ackerwildkrautflora der Kalkäcker und ihrer gesamten Lebewelt zu verbessern, kann und muss schnellstmöglich im Rahmen der nationalen und EU-Förderprogramme für die Landwirtschaft gegengesteuert werden. Durch die Finanzierung sachgerechter und beratend begleiteter landwirtschaftlicher Umweltleistungen kann es gelingen. Damit wir sie retten können – die bunten Mohnäcker, die schon berühmte Maler wie Claude Monet und Vincent von Gogh inspiriert haben.