Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft

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Die EU-Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft zu halbieren. In den europäischen Schutzgebieten, den FFH- und Vogelschutzgebieten, soll der Einsatz künftig ganz verboten sein. Zu diesen Gebieten gehört auch das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde, das sich von Salzkotten im Kreis Paderborn, durch den Kreis Soest bis in den Kreis Unna erstreckt. Das Vorhaben trifft in der hiesigen Landwirtschaft auf großen Widerstand. Die ABU beurteilt das Vorhaben der EU-Kommission wie folgt:

Seit fast 20 Jahren betreut die ABU das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde, seit fast 30 Jahren kümmern wir uns um den Schutz seltener Vogelarten in der Hellwegbörde, zu deren Schutz das Vogelschutzgebiet ausgewiesen wurde. Grundlage unserer Arbeit im fast 50.000 Hektar großen, ackerbaulich genutzten Vogelschutzgebiet ist die Zusammenarbeit mit den Landwirten – beim Vertragsnaturschutz und beim Horstschutz für Wiesen- und Rohrweihen. Und diese Zusammenarbeit zeigt Erfolge: Die Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes – z.B. das Anlegen von Ackerbrachen – haben von 400 Hektar im Jahr 2010 auf heute 1.600 Hektar stetig zugenommen. Das ist natürlich auch wesentlicher Verdienst der Kolleginnen und Kollegen in der Naturschutzbehörde des Kreises Soest, die die Verträge einwerben und betreuen, und seit 2020 auch Verdienst des Biodiversitätsberaters der Landwirtschaftskammer.

Unsere Untersuchungen zeigen, dass Feldvögel, Tagfalter und Heuschrecken auf diesen Flächen erheblich höhere Artenzahlen und Dichten erreichen als auf benachbarten Kulturflächen. Wiesenweihen fliegen sie gezielt zur Jagd an. Wachtelkönige bevorzugen sie als Rufplätze. Rebhühner und die Grauammer erreichen höchste Dichten in Ackerfluren mit hoher Maßnahmendichte. Allerdings stellen wir auch fest, dass In Ackerfluren mit nur wenigen Vertragsnaturschutzmaßnahmen sehr viele der typischen Feldvögel in den vergangenen Jahrzehnten große Verluste erlitten: Feldlerche, Grauammer, Goldammer, Kiebitz und viele Arten mehr sind heute seltener oder in einigen Ackerfluren gar ganz verschwunden. Die Ursachen sind vielfältig, der Verlust an Insekten spielt dabei eine bedeutende Rolle.

Wir begrüßen daher die Bemühungen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und - wo immer dies möglich ist - darauf zu verzichten. Dies ist ein wichtiger Beitrag für artenreiche, lebendige Feldlandschaften!

Das nun von der EU-Kommission vorgeschlagene Verbot von Pflanzenschutzmitteln in den europäischen Schutzgebieten – den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten und den Vogelschutzgebieten – sehen wir differenziert:

Für die grünlandgeprägten europäischen Schutzgebiete mit geringem Ackeranteil (im Kreis Soest z.B. die Lippeaue, die Ahsewiesen, der Stockheimer Bruch) ist ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln ein Instrument, das das Erreichen der Schutzziele unterstützt. Gleiches gilt für die grünlandgeprägten Naturschutzbiete, in denen künftig der Einsatz von Insektiziden nach deutschem Recht stark eingeschränkt ist. Unser Wunsch ist, dass man sich in diesen Gebieten für die wenigen betroffenen Ackerflächen um Lösungen bemüht, mit denen die Bewirtschafter leben können, etwa des Vertragsnaturschutzes.  

Die Hellwegbörde allerdings ist kein typisches Vogelschutzgebiet! Es ist eine fast 50.000 Hektar große landwirtschaftliche Vorzugsregion mit einer bewährten Zusammenarbeit von Landwirten, Landwirtschaftskammer, Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen beim kooperativen Vertragsnaturschutz. Diese Zusammenarbeit braucht gegenseitiges Vertrauen und viele Landwirte, die motiviert sind, sich an den Maßnahmen zu beteiligen. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln würde hier Vertrauen und Motivation und damit die gemeinsam erzielten Erfolge und die weitere Zusammenarbeit schwer beschädigen, wenn nicht gar zerstören.

Wir plädieren im Vogelschutzgebiet Hellwegbörde für eine Landwirtschaft, die durch eine Fortentwicklung der landwirtschaftlichen Praxis immer weniger Pestizide einsetzt und dort, wo dies möglich ist, auch darauf verzichtet – nicht für ein Verbot! Ackerbauliche Methoden wie Precision Farming und Integrierter Pflanzenschutz, eine Ausdehnung des Biologischen Anbaus verknüpft mit Naturschutz sowie mehr freiwilliger Vertragsnaturschutz: Das halten wir für die richtige Strategie!

Hierzu bedarf es allerdings finanziell attraktiver, unbürokratischer und langfristig verlässlicher Angebote an die Landwirte. Das ist eine Baustelle, auf der noch manches unfertig ist.

Mit Sorge nehmen wir Stimmen wahr, die aus Anlass des Ukraine-Krieges die erzielten Fortschritte hin zu einer naturverträglicheren Landwirtschaft zurückdrehen wollen.  Die aktuellen Probleme der Versorgung mit Energie und Agrar-Rohstoffen dürfen nicht dazu führen, dass die übergeordneten und langfristigen Ziele des Schutzes von Klima, Boden und Wasser sowie der Artenvielfalt als Grundlage einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und einer lebenswerten Hellwegregion gefährdet werden.

Joachim Drüke