Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
Biologische Station Soest

Arnsberger Wald

Veröffentlicht am

Der Arnsberger Wald – wie Windräder nach und nach den größten Biotopverbund Südwestfalens zerstören

Der Arnsberger Wald ist nicht irgendein Waldgebiet, kein bloßes Holzlager, und auch kein Ort romantischer Naturverklärung. Er ist der größte zusammenhängende Waldkomplex Südwestfalens und bildet das Rückgrat eines der bedeutendsten Biotopverbünde Nordrhein-Westfalens. Seine Funktion reicht weit über die ästhetische Wahrnehmung hinaus: Er ist Lebensraumverbund, Wasserspeicher, Klimaregulator und genetische Brücke für zahlreiche bedrohte Arten.

Wer mit einem der fachlich versierten Naturparkführer über die Mittelgebirgskämme wandert, zum Beispiel am Plackweg oder am Rennweg, erkennt, welch fein verwobenes Netz aus Bachläufen, Quellmooren, alten Buchenbeständen und stillen Schluchten hier noch intakt ist. Dieses Netz ermöglicht den Austausch von Arten zwischen Sauerland, Möhnetal und Eggegebirge – eine ökologische Lebensader, die in Zeiten des Klimawandels von zentraler Bedeutung ist.

Vielleicht wissen viele Kommunalpolitiker aufgrund einseitiger Information gar nicht, was sie anrichten, wenn sie dem Ausbau der Windenergie im Arnsberger Wald zustimmen oder hier durch sogenannte Positivplanung aus wirtschaftlichen Gründen gar eigene, kommunale Windparks forcieren.  Ihre Entscheidungen wirken jedoch direkt auf ein Naturerbe, das weit über die Gemeindegrenzen hinaus Bedeutung hat – und stehen im Widerspruch zum politischen Ziel, sich auf die konfliktärmsten Flächen für die Windenergieausweisung zu fokussieren.

Die Kommunen sind weder für die nationale Versorgungssicherheit zuständig noch haben sie die Aufgabe, einen gewissen Anteil ihrer Fläche für die Windenergie auszuweisen. Stattdessen ist es nunmehr Aufgabe der Regionalplanung, mit aktuellen Geodaten und einheitlichen Regeln rechnergestützt und transparent die konfliktärmsten Bereiche der Region für den Windenergieausbau zu ermitteln. Eigentlich. Ihre Kriterien und Ergebnisse bestätigen den grundsätzlichen Wert des zusammenhängenden Naturraums Arnsberger Wald. Dass dennoch einzelne Windenergiebereiche ausgerechnet im Arnsberger Wald ermittelt wurden, düfte vor allem daran liegen, dass die formalen Unterschutzstellungen seit Jahren hinterherhinken, somit Birnen mit Äpfeln verglichen und damit die aufwändige Regionalplanung gravierend verzerrt wurde.

Das sichtbare Ergebnis pervertiert diese Zielsetzung. Vieles von dem, was den ökologischen Reichtum und die natürliche Vielfalt des Arnsberger Waldes bislang ausmacht, ist noch intakt, teilweise aber noch gar nicht systematisch erfasst. Statt konfliktarmer Räume geraten ausgerechnet jene Waldlandschaften ins Visier, die sich nach dem Fichtensterben vielerorts gerade erst selbst zu regenerieren beginnen – ehemalige, artenarme Fichtenflächen, die nun durch natürliche Sukzession neue Lebensräume mit hoher Dynamik und Artenvielfalt ausbilden.

Es geht hier nicht um einzelne gefällte Bäume oder um einzelne Tiere, die wieder einmal Großprojekte blockieren. Vielmehr handelt es sich um die Zerschneidung eines großräumigen, funktional vernetzten Lebensraums, dessen ökologische Qualität sich nicht durch punktuelle Maßnahmen ersetzen lässt. 

Ein Beispiel für die gravierende Beeinträchtigung dieses Ökosystems durch Windparks liefert der im Bau befindliche Rennweg-Windpark. Noch bis vor Kurzem brütete am Rand des heutigen Baufeldes ein Schwarzstorch – eine Leitart, die ein funktionierendes Ökosystem mit naturnahen Bächen und hoher Wasserqualität anzeigt. Leitarten sind in der Regel ökologisch besonders anspruchsvoll; wenn sie vorkommen, sind meist auch viele andere Arten vorhanden, die ähnliche Lebensbedingungen brauchen. Inzwischen ist der störungsempfindliche Vogel verschwunden, obwohl der Windpark bislang noch nicht einmal in Betrieb genommen wurde.

Auch andere Arten bestätigen die ökologische Bedeutung des Arnsberger Waldes: Wildkatze, Luchs, Wolf und Biber nutzen den Biotopverbund als Lebensraum und Vernetzungsraum. Diese Vorkommen sind kein Zufall, sondern Indikator für die Funktionsfähigkeit eines großräumigen, relativ unzerschnittenen Ökosystems.

Zudem entstehen auf ehemaligen Fichtenflächen hochdynamische neue Lebensräume. Nach dem Zusammenbruch der Plantagen durch Borkenkäferbefall regenerieren sich dort artenreiche Pionierwälder, Moore und Lichtwaldgesellschaften. Statt diesen Prozess zu begleiten, gilt in politischen und forstlichen Kreisen häufig die verkürzte Erzählung: „Da ist ja eh alles kaputt.“ Auch der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schloss sich dieser einseitigen Sichtweise an – einer folgenreichen Argumentation, die vor allem aus den Reihen der Waldbauern und Waldeigentümer stammt, für die solche Flächen aus rein wirtschaftlicher Perspektive als verloren gelten.

Trotz der eindeutigen ökologischen Belege sprechen ausgerechnet einzelne grüne Landespolitiker in Düsseldorf vom „romantisierenden Verhalten“ jener, die den Schutz dieses Ökosystems fordern. Man könne nicht jedes Waldstück zur Tabuzone erklären, heißt es. Wer so argumentiert, verkennt, dass es hier nicht um ein beliebiges Waldstück geht, sondern um das ökologische Rückgrat einer ganzen Region mit Nationalparkqualitäten.

Der Arnsberger Wald steht exemplarisch für ein Dilemma, das sich in ganz Deutschland abzeichnet: Der Klimaschutz wird gegen den Naturschutz ausgespielt, obwohl beide untrennbar miteinander verbunden sind. Wenn der Preis der Energiewende die Zerstörung unserer letzten großen Naturzusammenhänge ist, dann ist er zu hoch.

Joachim Drüke, für die ABU Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest

Dagmar Preußner, für die BUND-Kreisgruppe HSK

Alfons Knop, für die BUND-Kreisgruppe Soest

Bernhard Schladör, für das LIZ Landschaftsinformationszentrum Wasser und Wald Möhnesee e.V.

Paul Köhler, für die NABU-Ortsgruppe Warstein und den NABU-Kreisverband Soest

Bernd Hötte, für den SGV Abteilung Soest

Bernhard Koch, für den Verein für Natur- und Vogelschutz im Hochsauerlandkreis e.V.